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Contra: Virus-Übertragung in Aufzugsanlagen?

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Viele Unternehmen aus der Liftbranche haben Zeit, Geld und Energie in Systeme investiert, die Aufzugbenutzer vor einer Ansteckung mit Corona schützen sollen. Doch wie groß ist die Gefahr und wie lässt sie sich am besten beherrschen?

Das LIFTjournal lässt hier zwei Autoren mit unterschiedlichen Meinungen und Einschätzungen zu Wort kommen.

By Dr. Andreas Hunscher

Fast nirgendwo kommen sich Menschen so nahe wie in einem Aufzug. Trotzdem wurde über die Ansteckungsgefahr dort bis heute politisch kaum diskutiert. Es gibt bisher kaum schlüssigen Konzepte dazu oder Vorgaben dafür, wie man die Pandemie dort beherrschen kann.

Die Wissenschaft war von Beginn der Pandemie an in diesem Forschungsbereich deutlich weiter. Schon in einem Artikel von Songjie Wu et al aus China (2), publiziert im Sommer 2020, wurden mögliche Übertragungswege auch in Aufzügen untersucht. Intensiv beschäftigt sich auch die Arbeit von Cees van Rijn et al. von der Universität in Amsterdam (1) vom Sommer 2020 mit dem Thema – und das sind nur zwei Beispiele.

Zwei Übertragungswege im Aufzug

Foto: © Cees van Rijn et alFoto: © Cees van Rijn et al

Grundsätzlich gibt es zwei Übertragungswege im Aufzug: Zum einen über den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen, zum anderen über Aerosole in der Luft, an die sich Viren anheften können.

Die Übertragung über Oberflächen sorgte zu Beginn der Pandemie für große Aufregung. Damals konnte in verschiedenen Studien (z. B. (3)) die Existenz von Corona-Virus RNA z. T. noch nach Wochen nachgewiesen werden. Hier sollte man allerdings berücksichtigen, dass die Viruslast einen erheblichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Infizierung hat.

Wie neuere Studien zeigen – zusammengefasst in einer Publikation des Bundesinstituts für Risikobewertung (4) – reicht die Viruslast auf Oberflächen nur in seltenen Fällen aus, um eine gesunde Person zu infizieren. Anders ist das natürlich in Umgebungen mit immun-supprimierten Personen wie z.B. Altenheimen oder Krankenhäusern. So stellten Wu et al in der in Wuhan präsentierten Studie fest, dass fast auf jedem zweiten Aufzugstaster in einem untersuchten Krankenhaus eine erheblich erhöhte Virus-RNA nachweisbar war.

Intuitive Berührung

Neben einer deutlich erhöhten Hygiene – z. B. durch häufigere Reinigungszyklen – könnten dort Sprachsteuerungen oder Fußtaster für die Aufzugsrufe verwendet werden. Sensortasten, die einen Schaltvorgang ohne Berührung schon im Abstand weniger Zentimeter ermöglichen, haben sich in der Praxis als Hygieneschutz wenig bewährt. Denn die Aufzugsnutzer berühren die Tasten trotzdem intuitiv.

Kritischer erscheint nach neueren Studien eine mögliche Infizierung durch die in der Aufzugkabine verbleibende Aerosole. Hier sind nicht nur Fahrten in überbelegten Kabinen problematisch. Besonders Einzelfahrten, bei denen der Nutzer denkt „Ich bin alleine, ich kann die Maske abziehen“, bergen ein besonderes Risiko. Das zeigt etwa die aus Amsterdam stammende Arbeit von Cees van Rijn et al: Aerosole nehmen zwar logarithmisch linear ab, verbleiben aber trotzdem oft mehrere Minuten in signifikanter Anzahl in der Kabine.

Gesundheitsschädliches Ozon

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Die einfachste Schutzmaßnahme ist das kontinuierliche Tragen einer FFP2-Maske. Inzwischen gibt es auch verschiedene Luftreinigungssysteme auf dem Markt – sie bekämpfen die Viren mit Filtern oder durch UV-Bestrahlung.

Um die Gesundheit der Nutzer nicht nur zu gefährden, muss man aber darauf achten, dass die Geräte nur mit UV-C-Strahlung oberhalb von 250 nm arbeiten – sonst kann sich gesundheitsschädliches Ozon (ab <180 nm) bilden. Bei der Konstruktion der Bestrahlungskammer ist es zwingend notwendig, die in der DIN 15858 festgelegten Streustrahlungs-Grenzwerte einzuhalten; ein Austritt von UV-Strahlung kann ansonsten zu erheblichen Gesundheitsschäden führen.

Eine einfachere Lösung zeigt die Grafik von Cees van Rijn et al.: Bei geöffneten Türen sinkt innerhalb kürzester Zeit die Anzahl der Aerosole um ca. 90 Prozent. Grundsätzlich ist diese einfache Lösung nach der EN 81-20 durchaus zulässig. Allerdings wird auch in der Norm schon auf die örtlichen baurechtlichen Gegebenheiten verwiesen. Dabei ist vor allem der Brandschutz zu beachten – der Aufzugsschacht verbindet möglicherweise mehrere Brandabschnitte, die Türen sind evtl. als Feuerschutztüren ausgeführt.

In diesem Fall ist diese einfache Lösung nicht möglich – oder nur, wenn die Brandmeldeanlage zum Beispiel mit der Aufzugssteuerung verschaltet ist. Das kann der Betreiber mit der örtlichen Brandschutzbehörde klären. Eine weitere Voraussetzung dafür ist der Verbau einer UCM-Schaltung, die aber sowieso für Aufzüge verpflichtend ist, die nach dem 1. Januar 2012 in Verkehr gebracht wurden.

Intensiverer Lüfterbetrieb

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Die Autoren der Studie aus Amsterdam (1) sehen neben dem längeren Öffnen der Türen auch einen intensiveren Lüfterbetrieb als Lösungsmöglichkeit. Vorhandene Lüfter können durch eine einfache Parametrierung der Aufzugssteuerung auf einen deutlich erhöhten Luftdurchsatz eingestellt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es durchaus schnell möglich ist, das Infektionsrisiko in einer Aufzugskabine deutlich zu reduzieren.

Gefragt ist sowohl der Betreiber, der sich auf Basis der örtlichen Gegebenheiten mit dem Aufzugsservice-Unternehmen um einen pragmatischen Ansatz bemühen kann. Aber auch die Politik ist gefordert, sie sollte dem Thema mehr Beachtung schenken und sinnvolle Anreize setzen.


Der Autor ist Geschäftsführer und Leiter der Aufzugssparte der Schmersal Gruppe.


Pro: Virus-Übertragung in Aufzugsanlagen?


Quellennachweise: (1) Cees van Rijn et al: “Reducing aerosol transmission of SARS-CoV-2 in hospital elevators”, indoor air, Sept 2020
(2) Songjie Wu et al: “Environmentel contamination by SARS-CoV-s in a designated hospital for coronavirus disease 2019”, American Journal of Infection control, Aug 2020
(3) Shane Riddel et al, “The effect of temperature on persistence of SARC-CoV-2 on common surface”, Virological Journal 07.10.2020,
(4) BfR, Publikation zur Übertragung von SARS-CoV-2 über Schmierinfektion, 09.04.2021