Wie schlimm ist die aktuelle Lage für die Aufzugsbranche? Dazu äußerte sich Michael Gubisch, stellvertretender Vorsitzender der VFA-Interlift, in einem Interview mit dem LIFTjournal.

Wie schlimm ist die aktuelle Lage für die Aufzugsbranche? Dazu äußerte sich Michael Gubisch, stellvertretender Vorsitzender der VFA-Interlift, in einem Interview mit dem LIFTjournal. (Foto: © Schaefer Group)

Zu wenig, zu spät und zu teuer…

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Die Themen Rohstoff-/Materialmangel und Preissteigerungen beherrschen derzeit viele Gepräche. Das LIFTjournal hat dazu Michael Gubisch, den stellvertretenden Vorsitzenden des VFA-Interlift und Geschäftsführer der Schaefer Group, befragt.

Störung der Lieferketten, Preisexplosion: Wie schlimm ist die aktuelle Situation für die Komponentenhersteller?
Gubisch: Meiner Meinung nach gibt es derzeit kaum Komponentenhersteller oder Aufzugsbauer in unserer Branche, die nicht von dieser Problematik direkt oder indirekt betroffen sind.

Die Verwerfungen in den Lieferketten und die Verteuerung der Materialien auf dem Weltmarkt haben sich durch die Engpässe der Rohstoffe, der weltweiten Corona-Situation und nach dem Vorfall im Suezkanal über die letzten Monate weiter aufgestaut. Eine zu erwartende Normalisierung der Situation ist, im Speziellen durch den Ukraine-Krieg, nicht eingetreten und hat noch zu weiteren Herausforderungen geführt.

Das Wiederauftreten von Corona-Fällen in China und das Festhalten der chinesischen Regierung an der Null-Covid-Strategie hat in manchen Großstädten dazu geführt, dass die Menschen scheinbar ihre Wohnungen nicht mehr verlassen dürfen und somit teilweise die Produktionen stillstehen. Mit dem Resultat, dass die logistischen Prozesse langfristig gestört bleiben und die Containerstaus in den Häfen eher zunehmen als abnehmen.

Die genannten Verwerfungen und deren Folgen beschränken sich nicht nur auf die Lieferungen aus den asiatischen Märkten, sondern haben auch unmittelbare Auswirkungen und vor allem Folgewirkungen auf die Lieferketten innerhalb Europas.

Die daraus entstandene Verknappung von Komponenten wie beispielsweise Mikrochips, Displays aus Asien und mittlerweile auch Kabel aus der Ukraine führt dazu, dass sich die vergleichsmäßig "kleine Aufzugsbranche" im direkten Beschaffungswettbewerb mit Industriezweigen wie der Automobil- oder Unterhaltungselektronikbranche wiederfindet.

Bestehende Produkte müssen deshalb ggf. redesigned werden, um nicht mehr verfügbare elektronische Komponenten zu substituieren und um weiterhin lieferfähig zu bleiben.

Wie sind die Rückmeldungen der Mitglieder?
Gubisch: Auf der diesjährigen interlift war das natürlich ein großes Thema. Gute Diskussionen zwischen Lieferanten und Kunden haben stattgefunden und Problemlösungen konnten ausgearbeitet werden, da laut Statistik 70 Prozent der europäischen Entscheidungsträger an der interlift teilgenommen haben.

Foto: © Petr JilekFoto: © Petr Jilek

Meines Erachtens werden diese Probleme dazu führen, dass man zu Gunsten von Beherrschbarkeit, Verlässlichkeit und kürzeren Lieferzeiten auch wieder zunehmend europäische Bezugsquellen zur alternativen Beschaffung finden muss, was auch mitunter zu einem Anstieg des Preislevels führen kann.

Wir bei der Firma Schaefer haben in den letzten Monaten diese Herausforderung gut meistern können und konnten somit unsere gewohnte Lieferperformance halten. Durch eine langfristige strategische Einkaufplanung mit entsprechenden Rahmenvereinbarungen sind die Auswirkungen für Schaefer weiterhin hoffentlich gut beherrschbar. Jedoch hatten auch wir mit vereinzelten Preissteigerungen von teilweise über 80 Prozent und inakzeptablen Lieferzeiten über die letzten Monate umzugehen. Ein Vorteil dabei war unsere hohe Eigenfertigungstiefe an all unseren Standorten und unser großes Produktportfolio.

Wie unterstützt der VFA aktuell seine Mitglieder?
Gubisch: Das VFA-Netzwerk hilft den Mitgliedern, in dem es die Unternehmen zusammenbringt und den Wissens- und Meinungsaustausch fördert. Die gemeinsamen Erfahrungen der Branchenkollegen und die praxisnahen Gespräche sind hilfreiche Wegweiser und Ideengeber zur Bewältigung dieser Situation. Die interlift`22 war hierzu wieder einmal die ideale Plattform.

Was glauben Sie: Wie werden sich die Preise weiterentwickeln?
Gubisch: Leider ist davon auszugehen, dass neben den oben bereits erwähnten Punkten der Engpass am Rohstoffmarkt, die Volatilität der Preise, die Logistik- und Lieferzeitprobleme, die Corona-Einschränkungen, die Währungsschwankungen und die Inflation auch der nicht kalkulierbare Anteil der Kosten der angestrebten energiepolitischen Wende in Europa den Markt beeinflussen wird. Ich persönlich sehe dies als eine große Herausforderung.

Der vorübergehende Fokus liegt bei der Aufrechterhaltung der eigenen Lieferfähigkeit. Man wird wahrscheinlich wieder redundante Bezugsquellen aufbauen und nicht nur auf alleinige preisgetriebene Quellen setzen müssen. Zur Sicherung der Supply Chain wird man sich künftig, durch eine Kombination lokaler und internationaler Lieferanten, breiter aufstellen.

Das Interview führte Ulrike Lotze.


Weitere Informationen: vfa-interlift.de