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Der mysteriöse Mangel 712

Betreiber

Vielleicht haben Sie in Ihrer Prüfbescheinigung von TÜV, Dekra oder GTÜ (ZÜS) schon einmal den Mangel 712 entdeckt und sich gefragt, was dahintersteckt und ob Sie etwas unternehmen müssen.

Seit der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) 2015 berichtete das LIFTjournal immer wieder über die Anforderungen an Betreiber – so dürfen sie ihre Aufzugsanlagen zum Beispiel erst verwenden, wenn sie festgestellt haben, dass diese nach dem Stand der Technik sicher sind.

Was hat das nun aber mit dem Mangel 712 der ZÜSen zu tun und was ist das überhaupt? Der Begriff 712 kommt aus dem Mängelkatalog, den der TÜV-Verband im Auftrag des Erfahrungsaustauschkreises Zugelassener Überwachungsstellen (ZÜS) veröffentlicht.

Im Originaltext heißt es: "Die Anlage kann hinsichtlich nachfolgender Gefährdungen/Gefährdungssituationen nicht uneingeschränkt sicher nach dem Stand der Technik verwendet werden"

Hohes Gefährdungspotential

Sobald dieser Mangel 712 von der ZÜS bescheinigt wird, wissen Sie, dass Ihre Aufzugsanlage ein hohes Gefährdungspotential aufweist. Denn der Anlage fehlen entweder technische Einrichtungen oder diese sind unzulänglich. Wenn Sie diesen Mangel nicht beheben lassen, verstoßen Sie als Betreiber gegen die BetrSichV.

Die Folge: Sie müssten sie normalerweise außer Betrieb nehmen (vgl. §4 (1) Nr. 3 BetrSichV). Denn damit bescheinigt die ZÜS, dass die Aufzugsanlage seit 2015 ordnungswidrig betrieben wurde und Sie jederzeit mit einem Ordnungsgeld rechnen können (§22 (1) Nr. 7 BetrSichV).

Es wird noch schlimmer: Unternehmen Sie als Betreiber nichts, kann Ihnen das als vorsätzliche Handlung ausgelegt werden. Denn Sie gefährdet durch den Weiterbetrieb Ihrer Aufzugsanlage Leben oder Gesundheit der Nutzer – dafür muss es nicht einmal zu einem Schaden gekommen sein. Wurde der "geringe Mangel 712" schon einmal bescheinigt, kann das als beharrliche Wiederholung ausgelegt werden. Beides stellt auf jeden Fall eine Straftat dar.

Dilemma des Gesetzgebers

Da stellt sich doch die berechtigte Frage: Wenn das so gravierend ist, warum ist das dann nur ein "geringer Mangel"? Das ist zugegeben ein Dilemma des Gesetzgebers, den die ZÜSen ausbaden müssen. Denn zum einen bewertet die ZÜSen einen Aufzug auf Grundlage dessen, was zum Zeitpunkt der Errichtung als Stand der Technik galt – und da waren ggf. Dinge und Einrichtungen noch nicht notwendig, die heute Standard sind.

Zum anderen kann die ZÜS eigentlich nur bewerten, was da ist oder da sein müsste und nicht Dinge, die noch nie an der Anlage installiert waren. Bei der Hauptuntersuchung eines Autos wird auch das Fehlen von Kopfstützen nicht bemängelt, wenn sie am Tag der Erstzulassung des Fahrzeugs noch nicht gefordert waren. Deshalb dürfte diese Abweichung formal nur ein Hinweis der ZÜSen sein und kein Mangel. 

Dennoch sind hierbei ein paar Dinge wichtig für den Betreiber zu beachten:
• Der Mangel 712 ist immer allgemein formuliert, konkretisiert werden die fehlenden Einrichtungen immer als zusätzliche Auflistung.
• Fehlt mehr als eine Einrichtung, ist es trotzdem nur ein geringer Mangel
• Bei fünf und mehr geringfügigen Mängeln wird bekanntlich das Gesamtergebnis der Prüfung als sicherheitserheblich eingestuft. Dabei wird jedoch der Mangel 712 nicht mit einbezogen und hinzugerechnet.

Wie erheblichen Mangel bewerten

Die Crux ist nun, dass viele Betreiber denken, "das kann ich irgendwann beheben, es ist ja nur ein geringer Mangel." Mitnichten! Sie sollten ihn wie einen erheblichen Mangel bewerten und ihn umgehend in den nächsten drei Monaten abstellen.

Aber Obacht: Die ZÜSen dürfen nur fehlende Einrichtungen bemängeln, sofern auf Grund des Fehlens einer dieser Einrichtungen von der Aufzugsanlage ein hohes Gefährdungspotential ausgeht. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn eine Einrichtung aus der Liste fehlt, die im Anhang 1 der TRBS 3121 genannt werden und zusätzlich die Bedingungen in der letzten Spalte dieser Tabelle erfüllt sind.

Tipp: Bei der Bewertung können Fehler passieren, lassen Sie sich deshalb von einem unabhängigen Ingenieurbüro für Fördertechnik beraten und den Mangel prüfen.

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