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Hauptprüfung ohne Wartungsfirma?

Betreiber

Immer häufiger werden Hauptprüfungen ohne die Unterstützung der Wartungsfirma durchgeführt. Dabei gibt es hier ernstzunehmende Risiken, über die auch Sie als Betreiber informiert sein sollten.

Seltsamerweise wird dieser Trend weder von den Berufsgenossenschaften noch von der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) hinterfragt.

Seit Inkrafttreten der preußischen Polizeiverordnung vom 27. März 1893 werden Aufzüge maximal alle zwei Jahre durch einen Sachverständigen geprüft – mit Unterstützung der Wartungsfirma. Dabei haben die Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS), die diese Prüfungen heute durchführen, das Recht auf diese Unterstützung.

ZÜS entscheidet selbst

So steht in § 7 Absatz 5 Nr. 1 des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG): „Der Betreiber einer überwachungsbedürftigen Anlage ist verpflichtet, auf Verlangen der zugelassenen Überwachungsstelle unverzüglich die für die Prüfungen benötigten Hilfskräfte und Hilfsmittel bereitzustellen.“ Ob diese Arbeitskräfte benötigt werden und welche Qualifikation sie haben müssen, ist nicht weiter geregelt, das entscheidet die ZÜS selbst.

Warum ich eine Hauptprüfung ohne Unterstützung und als „Einmanntätigkeit“ für sehr riskant halte:

1. Haftung: Wer haftet bei Schäden oder dem Stillstand der Anlagen während oder nach der Prüfung, wenn der Prüfer die Anlage im Detail nicht kennt?

2. Arbeitsschutz I: Der Prüfer hat die Anlagen vielleicht noch nie oder zuletzt vor einem Jahr gesehen und weiß nicht, was im letzten Jahr oder dem Lebenszyklus des Aufzuges geschehen ist. Dadurch ist das Risiko von Unfällen für den Prüfer erhöht.

3. Arbeitsschutz II: Wie soll der Prüfer Teile der Anlage fachlich korrekt begutachten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?

4. Arbeitsschutz III: Die Statistik zeigt, dass das Risiko von Unfällen mit Personenschäden gerade bei Wartung/Instandhaltung/Prüfung hoch ist. Kommt es zu einem Personenschaden, fehlt der zweite Mann, um für Hilfe zu holen. Vielleicht sollten auch die Berufsgenossenschaften und die Unfallkasse klären, ob dies aus versicherungsrechtlichen Gründen zulässig ist oder ob durch eine solche Praxis der Prüfer den Versicherungsschutz verliert.

5. Fachlich: Ich glaube, dass bei den meisten Anlagen eine einzelnen Person die Prüfung nicht korrekt durchführen kann – z. B. wenn es um die Beurteilung der Fangvorrichtung/Fanggestänges, die Durchführung der Treibfähigkeitsprüfung, die Fangprüfung, die UCM-Prüfung oder die Prüfung der Ersatzmaßnahmen bei reduzierten Schutzräumen geht. Vielleicht ist hier die ZLS gefragt, die die ZÜS fachlich überwacht.

6. Praxis: Kleine Mängel (unabhängig von der Einstufung) können nun nicht mehr während der Prüfung behoben werden. Zusätzlicher Organisationsaufwand und eine Nachprüfung mit zusätzlichen Kosten werden notwendig.

7. Image: Kommt es zu einem Schaden mit oder ohne beteiligte Personen lassen die Meldungen in den (Sozialen) Medien nicht lange auf sich warten, und gerade bei Aufzügen ist die Presse immer an Schlagzeilen interessiert. Es ist unstrittig, dass kein Unternehmen an negativen Meldungen interessiert ist – weder ein Betreiber noch eine ZÜS.

Prüfung und Wartung getrennt beauftragen

Es gibt auch Tendenzen, dass eine ZÜS irgendeine Aufzugsfirma oder einen zweiten Prüfer zur Unterstützung der Prüfung mitbringt. Dann entfallen ein paar der genannten Argumente, aber im Kern bleibt das Problem unverändert.

Wir sollten uns immer fragen, ob ein monetärer Vorteil oder unsere Bequemlichkeit die damit verbundenen Risiken und den daraus möglicherweise resultierenden Imageschaden ausgleichen. Deshalb meine Empfehlung: Beauftragen Sie Prüfung und Wartung getrennt, so bekommen Sie unabhängige Beurteilungen und schützen sich vor dem möglichen Vorwurf zu klüngeln.

Ihr Bernd Betreiber

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