Statt der Big 4 werden künftig fünf Interessenten für Unternehmen bieten.

Statt der Big 4 werden künftig fünf Interessenten für Unternehmen bieten. (Foto: © helinntonfantin/123RF.com)

Die Spanier kommen

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Müssen sich die Big 4 auf Zuwachs einstellen? Eine von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Firmentransaktion deutet nun darauf hin.

Welche Dynamik durch den Deal entsteht und warum mittelständische Aufzugsunternehmer profitieren, analysiert M&A-Experte Dr. Lars Watermann exklusiv für das LIFTjournal.

Es ist einer der ehernen Grundsätze der deutschen Aufzugsbranche: Die Big 4 – also Kone, Otis, Schindler und TKE – bestimmen den Markt für Mergers & Acquisitions (M&A), also Fusionen und Übernahmen. Ein Quartett für die Ewigkeit. Doch eine Firmenübernahme, die fast völlig unbeachtet von der Öffentlichkeit über die Bühne ging, läutet nun eine Zeitenwende ein.

Akquisition aus strategischen Gründen

Ende 2023 wechselte AK Aufzüge aus Rheinstetten den Besitzer. Bemerkenswert an dem Deal ist weniger das gekaufte Unternehmen – schließlich hat AK weder viele Mitarbeiter noch hohen Umsatz oder eine vierstellige Anzahl an Wartungsverträgen. Die Firma verfügt auch nicht über eine eigene Fertigung. Es ist vielmehr der Käufer, der diese Transaktion besonders macht.

Denn zum Scheckbuch griff die spanische Orona-Gruppe, die für 2025 die Eine-Milliarde-Euro-Umsatzschwelle anpeilt. Doch wieso interessiert sich der spanische Gigant für den vergleichsweise kleinen Spezialisten aus Süddeutschland? Was kann AK, was Orona nicht kann? Die Antwort lautet: Das ist unerheblich. Denn die Akquisition erfolgte vor allem aus strategischen Gründen.

Direkter Markteintritt

Aufwärtstrend – Der Analyse-Podcast von WATERMANN AGENS für das LIFTjournal: Dr. Lars Watermann hat zu dem Thema einen eigenen Podcast produzieren lassen mit dem Titel "Auswirkungen des Markteinstiegs von Orona auf Firmenbewertungen":
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Fakt ist: Orona-Anlagen wurden zwar auch in der Vergangenheit schon auf dem deutschen Markt vertrieben, allerdings nur über Partnerunternehmen. Nun hat der direkte Markteintritt der Spanier stattgefunden. So wie auch in zwölf anderen europäischen Ländern, in denen Orona mittlerweile über 55 Transaktionen erfolgreich abgeschlossen hat, möchte das Unternehmen den hiesigen Markt aktiver und intensiver bespielen.

Foto: © Watermann AgensFoto: © Watermann Agens

Und dafür braucht es eine Plattform – die nun mit AK Aufzüge gefunden wurde. AK Aufzüge wird den Spaniern für die Umsetzung ihrer Strategie aber vermutlich nicht reichen. In den kommenden Jahren dürften weitere Akquisitionen erfolgen. Statt der Big 4 werden künftig also fünf Interessenten für Unternehmen bieten.

Das klingt zunächst einmal nach guten Nachrichten für all jene, die mit dem Gedanken spielen, ihr Aufzugunternehmen zu veräußern. Denn die Big 4 werden sicherlich versuchen, weitere Risse in der Staumauer zu verhindern und bei Kaufverhandlungen die Spanier zu überbieten. Womöglich sogar um jeden Preis! Die zuletzt spürbare Abkühlung bei den Kaufsummen dürfte damit zwischenzeitlich ein Ende haben.

Deutsche Kundenwünsche

Doch zur Wahrheit gehört auch ein anderer Faktor, der die Unternehmenswerte mittel- und langfristig schmelzen lassen könnte: Dank des AK-Service-Teams wird Orona die deutschen Kundenwünsche viel besser verstehen. Eine kulturelle Annäherung, die das organische Wachstum stärken wird. Aber nicht auf Kosten der bisherigen Partnerunternehmen – weil ein Deal in Rheinstetten nicht das existierende Geschäft in anderen Regionen kannibalisieren wird –, sondern zu Lasten aller anderen Marktteilnehmer. Schließlich stehen die Spanier – nach eigenen Angaben – schon jetzt für jede zehnte neuinstallierte Anlage in Europa.

Dank der auf diese Weise erzielten Skaleneffekte und der eindrucksvollen Wertschöpfungstiefe können die Iberer äußerst konkurrenzfähige Preise bei Standardaufzügen anbieten. Die Frage ist also: Wie viel wird künftig noch für alle anderen vom Kuchen übrigbleiben, der ja aufgrund der (welt-)politischen und (bau-)konjunkturellen Makrolage auf absehbare Zeit ohnehin nicht größer werden dürfte? Am Ende ist die Formel recht leicht: Weniger Neuanlagen-Umsatz x weniger Service-Umsatz = weniger Unternehmenswert.

Klar ist jedenfalls: Der spanische Riese ist gekommen, um zu bleiben. Die Frage ist also nicht, ob sich der deutsche Aufzugsmarkt nachhaltig verändern wird – sondern nur, in welcher Geschwindigkeit. Besser, wenn man sich als Unternehmer darauf jetzt schon einmal vorbereitet.

Der Autor ist Geschäftsführ er der Watermann Agens GmbH und auf Firmentransaktionen in der Aufzugsbranche spezialisiert.

Aufwärtstrend – Der Analyse-Podcast von WATERMANN AGENS für das LIFTjournal: Dr. Lars Watermann hat zu dem Thema einen eigenen Podcast produzieren lassen mit dem Titel "Auswirkungen des Markteinstiegs von Orona auf Firmenbewertungen":
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Weitere Informationen: watermann.ag


Die Orona Group: Die Orona Group besteht seit 60 Jahren und begann ihre Geschäftstätigkeit einst im Bereich Kesselbau. 2022 produzierten und warteten nach eigenen Angaben 5.700 Angestellte etwa 30.000 Aufzugssanlagen. Orona ist in etwa einem Dutzend Länder selbst aktiv, in circa 100 bestehen zudem Vertriebspartnerschaften.

Der konsolidierte Umsatz der Gruppe wuchs 2022 um etwa acht Prozent auf knapp 900 Millionen Euro. Das Unternehmen sitzt im spanischen Hernani (Baskenland) und ist Teil des genossenschaftlichen Mischkonzerns Mondragón.

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