Alexander Vitt, Geschäftsführer der DACH-Region bei Kone, im Interview

Alexander Vitt, Geschäftsführer der DACH-Region bei Kone, im Interview (Foto: © Bernd Lorenz/LIFTjournal)

"Modernisierung, Service und Digitalisierung sind unsere Wachstumsmotoren"

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Alexander Vitt ist seit Mai 2024 Geschäftsführer der DACH-Region bei Kone. Im Interview mit dem LIFTjournal spricht er über strategische Prioritäten, die Herausforderungen im Neubaumarkt, die Rolle der Digitalisierung – und warum Kone langfristig auf Partnerschaften und Plattformlösungen setzt.

Herr Vitt, Sie sind nun seit über einem Jahr Geschäftsführer der DACH-Region. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Vitt: Ich freue mich sehr über die Verantwortung und die Zusammenarbeit mit unserem Team. In dieser Zeit haben wir uns strategisch neu ausgerichtet, um agiler auf Marktveränderungen reagieren zu können. Besonders im Service und in der Modernisierung verzeichnen wir ein zweistelliges Wachstum – in manchen Bereichen bis zu 20 Prozent. Das gibt uns Stabilität.

Was sind aktuell die zentralen Fokusthemen bei Kone?
Vitt: Wir richten uns klar auf drei Schwerpunkte aus: Digitalisierung, Modernisierung und Wohnimmobilien. Digitalisierung betrifft nicht nur unsere Produkte, sondern auch die Kommunikation mit unseren Kunden – sie soll transparenter, schneller und effizienter werden. In der Modernisierung sehen wir enormes Potenzial: Über 800.000 Anlagen in der DACH-Region sind älter als 20 Jahre. Außerdem fokussieren wir uns stärker auf den Wohnungsbau, vor allem im Bereich Mehrfamilienhäuser.

Im Neubau herrscht Krise. Wie stark ist der Rückgang bei Kone?
Vitt: Wenn man die vergangenen drei Jahre betrachtet, reden wir von einem Rückgang um 40 bis 50 Prozent im Neubaumarkt – das betrifft uns wie auch die gesamte Branche. Wir setzen auf eine Erholung durch politische Impulse wie den „Wohnungsbauturbo“, aber die Effekte zeigen sich erst verzögert.

Wie verteilt sich bei Kone aktuell der Gewinn zwischen Neubau, Modernisierung und Service?
Vitt: Wenn wir auf den Gewinn schauen, ist der Neubau inzwischen nur noch ein sehr kleiner Teil. Der weit überwiegende stammt aus Modernisierung und Service. Das ist eine deutliche Verschiebung im Vergleich zu früher, als der Neubau ein wesentlich stärkeres Fundament für das Ergebnis war.
Umsatzseitig ist der Anteil des Neubaus natürlich höher, aber in der Ertragskraft liegen Modernisierung und Service klar vorne. Das hat mehrere Gründe: Die Zinslage, steigende Baukosten und eine generelle Abschwächung des Neubaumarktes haben die Margen dort stark gedrückt. Im Servicegeschäft hingegen profitieren wir von stabilen, langfristigen Kundenbeziehungen und einer höheren Planbarkeit der Einnahmen.
Gerade bei Wartung und Instandhaltung lassen sich Prozesse standardisieren, was Effizienz und Profitabilität steigert. Zudem haben Modernisierungsprojekte oft eine attraktive Rendite, weil sie technisches Know-how und maßgeschneiderte Lösungen erfordern – und damit einen höheren Mehrwert für den Kunden bieten.

Manche sagen, Kone kalkuliere im Neubau bewusst günstig und verdiene sein Geld vor allem mit den Wartungsverträgen.  Was ist da dran?
Vitt: Dieses Bild hält sich hartnäckig – wahrscheinlich, weil es in anderen Branchen Beispiele gibt, die ähnlich funktionieren. Aber auf unsere Branche und unsere Preisgestaltung lässt sich das so nicht übertragen.
Historisch hat der Neubau einen höheren Ergebnisanteil beigetragen, doch das hat sich in den letzten Jahren durch äußere Faktoren stark verändert. Die Baukosten sind gestiegen, die Zinsen ebenfalls, und die Nachfrage im Neubau ist deutlich zurückgegangen. Das wirkt sich unmittelbar auf die Margen aus – und zwar branchenweit, nicht nur bei uns.
Es ist nicht so, dass wir Aufzüge bewusst unter Wert verkaufen, um anschließend bei Wartungsverträgen „aufzuholen“. Wir kalkulieren jedes Projekt so, dass es sich im Marktumfeld rechnet – mit einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis für den Kunden und einer nachhaltigen Grundlage für unsere Partnerschaft.
Natürlich ist das Servicegeschäft wirtschaftlich stabiler und planbarer als das Neubaugeschäft. Deshalb legen wir dort einen strategischen Schwerpunkt. Aber das bedeutet nicht, dass der Neubau nur als „Türöffner“ dient. Er ist und bleibt ein wichtiger Teil unserer Wertschöpfung, gerade um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.

Für wie realistisch halten Sie es, dass völlig neue Wettbewerber wie etwa Amazon die Branche ins Auge fassen werden?
Vitt: Die Idee ist nicht völlig abwegig – aber ich glaube nicht, dass ein Konzern wie Amazon plötzlich eigene Aufzüge baut. Denkbar sind digitale Plattformen, über die etwa Serviceleistungen oder Gebäudetechnik vernetzt werden. Wir kooperieren bereits mit Partnern wie Microsoft und Amazon Web Services (AWS), um solche Lösungen zu entwickeln. Denn die Zukunft liegt in smarten, vernetzten Gebäuden.

Kone fokussiert sich stark auf den Personenfluss im Gebäude, Sie investieren auch in automatische Türlösungen. Warum?
Vitt: Mobilität ist ein zentrales Zukunftsthema. Städte wachsen, Gebäude werden höher – und damit steigen die Anforderungen an einen reibungslosen Personenfluss. Wir müssen sicherstellen, dass Menschen schnell, effizient und sicher an ihr Ziel gelangen.
Es gibt eindrucksvolle Beispiele: In Mekka müssen zu den Gebetszeiten innerhalb kürzester Zeit enorme Menschenmengen in Hotels oder bestimmte Bereiche gebracht werden. Solche Szenarien werden sich in immer mehr Städten wiederholen – auch in Deutschland, wenn urbane Zentren weiter verdichten.
Deshalb entwickeln wir Lösungen, die so intelligent und vernetzt wie möglich arbeiten. Dazu gehört die Integration von Aufzügen, Rolltreppen, Türen und Gebäudedaten in eine gemeinsame Plattform, um Engpässe zu vermeiden und den Personenfluss optimal zu steuern.

Demnächst wird es mit der EN ISO 8100-1/2 zum ersten Mal eine internationale Norm für die Aufzugsbranche geben, Kone hat sich bei der Entwicklung sehr engagiert. Welche Bedeutung hat sie für das Unternehmen?
Vitt: Wir begrüßen diese Harmonisierung sehr. Einheitliche internationale Anforderungen schaffen mehr Sicherheit für die Nutzer und erleichtern es global agierenden Herstellern, ihre Produkte in unterschiedlichen Märkten anzubieten. Bisher gibt es teils erhebliche Unterschiede zwischen nationalen Regelungen – besonders im Baurecht –, was Projekte komplexer macht. Eine ISO-Norm kann diesen Aufwand deutlich reduzieren.
Besonders interessant ist, dass die neue Norm nicht nur technische und sicherheitsrelevante Anforderungen umfasst, sondern auch Themen wie Cybersecurity adressiert. In Zukunft werden wir noch stärker von Daten leben und mit Daten arbeiten – ob für vorausschauende Wartung, die Optimierung des Personenflusses oder die Vernetzung kompletter Gebäude. Dafür brauchen wir weltweit vergleichbare Regeln für den sicheren Umgang mit diesen Informationen.
Kone erfüllt schon heute hohe Cybersecurity-Standards und hält viele der in der kommenden ISO-Norm vorgesehenen Anforderungen bereits ein. Eine international einheitliche Grundlage sorgt jedoch dafür, dass alle Marktteilnehmer auf einem vergleichbaren Niveau agieren – zum Nutzen der Sicherheit, der Datenintegrität und des fairen Wettbewerbs.

Welche neuen Produktentwicklungen können wir erwarten – es ist schon etwas länger her, dass neue Kone-Aufzüge auf den Markt kamen …
Vitt: Unsere DX-Aufzüge sind ein großer Meilenstein, aber natürlich arbeiten wir kontinuierlich an neuen Lösungen – leichter, effizienter, digitaler. Vieles wird zunächst in Pilotprojekten getestet, bevor es in die Breite geht. Denken Sie an die Formel 1: Dort wird Innovation unter Extrembedingungen entwickelt und später in den Alltag übertragen.

Warum setzt Kone nicht stärker auf offene Steuerungssysteme?
Vitt: Ihre Frage zielt sicherlich darauf ab, ob das auch dazu dient, Wettbewerber fernzuhalten. Ich glaube, das tun in gewisser Weise alle Hersteller – nicht jeder hat eine komplett offene Steuerung. Wichtig ist: Der Großteil, der für den Betrieb und den Kunden relevanten Informationen steht grundsätzlich zur Verfügung. Es geht vor allem um Parameter, Einstellungen und sicherheitsrelevante Funktionen.
Das ist auch eine Frage der Sicherheit: Bei komplexen Projekten sind oft individuell entwickelte Ingenieurlösungen und das spezielle Know-how unserer Techniker gefragt. Standardisierung sorgt hier für Verlässlichkeit und Effizienz. Wir beobachten am Markt, dass viele Standardanlagen, beispielsweise maschinenraumlose Aufzüge, inzwischen 25 bis 30 Jahre alt sind. Dort gilt es, Wartung, Austausch oder Teilmodernisierung möglichst effizient umzusetzen. Und das betrifft nicht nur uns, sondern auch andere Hersteller.

Da schließt sich die Fragen an: Wem gehören denn die Aufzugsdaten – dem Betreiber oder dem Hersteller?
Vitt: Grundsätzlich gehören sie dem Betreiber. Wir stellen Daten zur Verfügung – im Rahmen geltender Standards und mit Blick auf Sicherheit und Datenschutz. Wichtig ist: Ein Aufzug ist ein sicherheitsrelevantes Produkt. Der Zugang zu Daten sollte verantwortungsvoll geregelt sein.

Werden in der Aufzugsbranche künftig eigene Lösungen für die Ausbildung gebraucht – wie ein „Mechatroniker für Aufzugstechnik“?
Vitt: Eine Spezialisierung kann helfen, neue Fachkräfte schneller einzuarbeiten. Gleichzeitig profitieren wir aber auch von breit ausgebildeten Quereinsteigern, die frische Perspektiven mitbringen. Wir kombinieren beides: mit Schulungen, Shadowing-Programmen und unserer Kone Academy.

Relativ unbeachtet hat Orona das deutsche Unternehmen AK Aufzüge übernommen. Wird Orona der fünfte große Player auf dem deutschen Markt?
Vitt: Wir begrüßen Wettbewerb. Der deutsche Markt ist attraktiv, und wir stellen uns dementsprechend auf. Unser Anspruch ist es, in der DACH-Region wie global die Nummer eins zu sein. Da kann sich Orona gerne einen Platz dahinter suchen. Dazu kommt: Orona fokussiert sich auf standardisierte Produkte im Low-End-Bereich. Das ist nicht unser Hauptsegment.

Es wird gemunkelt, dass Kone noch einmal versuchen wird, TKE zu übernehmen – was ist an den Gerüchten dran?
Vitt: Ich glaube nicht, dass das Interesse an Mitbewerbern in der Industrie erloschen ist. Ich denke, unsere bisherigen Merger & Acquisitions-Aktivitäten unterstreichen dies. 

 

Hintergrund: Kone Hier geht es zum Online-Auftritt von Kone.

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