Der 45-jährige Diplom-Volkswirt Jens-Albert Schenk.

Der 45-jährige Diplom-Volkswirt Jens-Albert Schenk. (Foto: © osma GmbH & Co. KG)

osma-Verkauf: "Das Gerücht ist vollkommener Unsinn"

Aktuelles

Der Generationswechsel bei osma ist seit einigen Jahren abgeschlossen: Jens-Albert Schenk hat bereits 2019 die Verantwortung für den Aufzugshersteller von seinem Vater übernommen. Im Interview nimmt er auch Stellung zu den Verkaufsgerüchten.

Sie haben 2022 die Mehrheitsanteile des Unternehmens übernommen und sind seitdem gemeinsam mit Ihrer Schwester Inga Friedrich alleiniger Gesellschafter der osma GmbH & Co. KG. Wie haben Sie sich auf den Generationswechsel vorbereitet?
Schenk: Eine systematische Vorbereitung gab es nicht, der Generationswechsel erfolgte eher schrittweise. Ich bin damals direkt von der Universität ins Unternehmen gekommen. Als Greenhorn durfte ich dann – wie es auch in vielen anderen Unternehmen üblich ist – osma erst einmal gründlich kennenlernen: Wer arbeitet bei uns? Was machen wir genau? Wie funktioniert der Markt? Es hat schon ein bisschen gedauert, bis ich verstanden habe, wie alles zusammenhängt.

Mein Vater hat mir zu dieser Zeit als geschäftsführender Gesellschafter operativ den Rücken freigehalten, sodass ich mehr im Hintergrund arbeiten konnte – mehr lernend und beobachtend als gestaltend. Irgendwann kam dann der Moment, an dem ich merkte: Jetzt habe ich es verstanden. Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie das Unternehmen funktioniert, und auch davon, wo ich hinmöchte.

Damit begann die Phase, in der neue Vorstellungen auf alte Gepflogenheiten trafen und wir klären mussten: Wer trifft jetzt eigentlich die Entscheidungen? Wir haben deshalb 2019 gemeinsam entschieden, dass ich im Zuge des Generationswechsels nun die alleinige strategisch-operative Verantwortung übernehme, während mein Vater zwar weiterhin als Geschäftsführer aktiv bleibt, aber fortan eine eher beratende Rolle einnimmt. Er begleitet mich seitdem als Mentor, Sparringspartner und als guter Geist des Hauses.

Ihr Vater hat 2019 in einem Interview mit dem LIFTjournal zum 100-jährigen Bestehen von osma erzählt, wie schwierig für ihn der Prozess war, als er den Betrieb von seinem Vater übernommen hat. Welche Rolle hat diese Erfahrung nach Ihrer Einschätzung gespielt?
Schenk: Ich glaube, es hat ihm verdeutlicht, wie anspruchsvoll ein guter Generationsübergang sein kann und dass man loslassen muss, um der nachfolgenden Generation eine eigenständige Entwicklung zu ermöglichen.

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Mein Vater ist ein sehr kraftvoller Mensch, der osma zu dem gemacht hat, was es bereits zum Zeitpunkt des Generationswechsels war: dem zweitgrößten mittelständischen Aufzugsunternehmen Deutschlands. Dass man ein solches Lebenswerk nicht von heute auf morgen einfach fallen lässt wie eine heiße Kartoffel, ist absolut nachvollziehbar.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits meine eigenen Vorstellungen zur zukünftigen Unternehmensausrichtung von osma. Ich glaube, dass Konflikte in einer solchen Situation ganz normal sind – und sie sind auch aufgetreten. Der Unterschied liegt letztendlich darin, wie man damit umgeht, und das ist uns im Ergebnis ja auch gut gelungen.

Wir haben dann im Zuge des Generationsübergangs nicht nur die operativ-strategische Geschäftsführungsverantwortung neu geregelt, sondern auch die Besitzverhältnisse angepasst. Heute sind meine Schwester und ich die einzigen Gesellschafter bei osma, was uns schnelle und unkomplizierte Entscheidungen ermöglicht.

Sie haben schon erwähnt, dass Sie direkt nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre ins Unternehmen gekommen sind. Das heißt, dass Sie nur berufliche Erfahrungen bei osma gesammelt haben. Wie kompensieren Sie das?
Schenk: Am Anfang habe ich mir vieles abgeschaut und zunächst mit den mir aus dem Studium bekannten Methodiken bewertet. Ich habe zudem viel Fachliteratur gelesen, um mein Fachwissen systematisch und möglichst objektiv zu erweitern. Viele Inspirationen hole ich mir auch in meinem beruflichen und privaten Umfeld. Wichtig war für mich vor allem, eine klare Vision für osma zu entwickeln. Denn wenn man nicht weiß, wohin man will, kann man auch ein Unternehmen nicht strategisch ausrichten.

Es gab viel Mitarbeiterfluktuation bei osma, auf der anderen Seite haben auch Sie sich von etlichen Mitarbeitern getrennt. Was waren die Gründe?
Schenk: Die Gründe für die seinerzeit hohe Fluktuation lagen größtenteils in der strategischen Neuausrichtung unseres Unternehmens begründet. Zwar haben auch wir mit einer natürlichen Fluktuation, vor allem in Form von Verrentung, zu tun. Der größte Teil der Mitarbeiterveränderung resultierte allerdings aus unserer Transformation vom traditionellen Handwerksunternehmen zu einem modernen Industrieunternehmen.

Wir haben dabei unser Unternehmen komplett neu aufgestellt, gewohnte Prozesse auf den Prüfstand gestellt und unsere Aufbauorganisation verändert. Dabei ließ es sich leider nicht vermeiden, einige Komfortzonen einzureißen. Aber uns war es wichtig, osma eine zukunftsfähige Ausrichtung zu geben – mit allen notwendigen Konsequenzen. Glücklicherweise liegt diese Phase inzwischen weit hinter uns.

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Was war denn das Motiv für den Verkauf Ihrer vier Niederlassungen im Jahr 2022?
Schenk: Unsere neue Unternehmensausrichtung war sehr kapitalintensiv, wie Sie sich vorstellen können. Wir haben deshalb entschieden, uns zu fokussieren und uns in diesem Zuge von vier Standorten zu trennen. Natürlich hätte ich diesen Schritt gerne vermieden. Er war jedoch notwendig, um unseren Wandel zu ermöglichen.

In der Aufzugsbranche wird immer wieder spekuliert, dass osma zum Verkauf steht. Was sagen Sie dazu?
Schenk: Ich kenne das Gerücht, das allerdings vollkommener Unsinn ist. Wir haben ein einzigartiges Konzept erdacht und umgesetzt. Unsere Investitionen beginnen bereits sich auszuzahlen. Das zeigt mir, dass unsere Entscheidungen richtig waren und wir auf dem richtigen Weg sind – trotz der aktuell herausfordernden Marktlage.

Es gibt in der Branche eine intensive Diskussion über den Verkauf etlicher kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) an die Konzerne. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Schenk: Ich vermute, dass sich dieser Trend aus verschiedenen Gründen leider fortsetzen wird. Zum einen fehlt es vielen KMU der Branche häufig an geeigneten Nachfolgern oder es gibt ganz persönliche Motive, das eigene Unternehmen zu verkaufen. Immerhin sind die Bedingungen für Unternehmer heute schwieriger denn je: Der technologische Wandel schreitet immer schneller voran, die Marktsituation ist schwierig und es fehlt an Fachkräften. Das kann vielerorts eine toxische Mischung ergeben. Und nicht zu vergessen: die allgemeine geopolitische Lage, die viele Menschen beunruhigt. Wir sind deshalb stolz darauf, bei osma auf diese wichtigen Fragen der Zeit durch unsere neue Unternehmensausrichtung zukunftsweisende Antworten gefunden zu haben.

osma wurde immer als die Manufaktur der Aufzugsbranche bezeichnet und hatte vor einigen Jahren noch eine Fertigungstiefe von 90 Prozent. Wie hoch ist sie heute?
Schenk: Die 90 Prozent waren eine eher symbolische Zahl, denn wir haben nie jede Schraube selbst gefertigt. Trotzdem haben wir immer wieder ein Lächeln geerntet, wenn wir gezeigt haben, wie weit unsere Detailverliebtheit gegangen ist. Diese Haltung ist auch heute noch vorhanden, sie hat sich nur in andere Bereiche verlagert.

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Wir haben nämlich zwischenzeitlich erkannt, dass die eigene Fertigung keinen wesentlichen Mehrwert für unsere Kunden darstellt: Ob wir beispielsweise die Aufzugstüren selbst fertigen oder bei gleicher Qualität fertigen lassen, ist unseren Kunden nicht wichtig. Sie erwarten einfach qualitativ hochwertige Aufzugstüren, die ihnen keine Probleme bereiten. Dies wissen wir aus systematischer Marktforschung und intensiven Kundenbefragungen.

Daraus haben wir wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die uns befähigt haben, auch radikale Entscheidungen zu treffen. So haben wir uns beispielsweise von unserer eigenen Fertigung fast vollständig getrennt und arbeiten heute stattdessen mit ausgewählten Partnerunternehmen zusammen, die nach unseren Vorgaben fertigen. Dadurch haben wir viel Flexibilität gewonnen – ein großer Vorteil in der aktuellen Marktlage.

Können Sie denn noch kurzfristig und flexibel auf Kundenwünsche reagieren?
Schenk: Ja, natürlich! Wir können es sogar noch kurzfristiger als früher. Denn die eigene Fertigung muss nicht immer die schnellste sein. Dank unserer neuen Lieferantenstruktur und unseres intelligenten Plattformkonzeptes können wir sogar noch schneller und flexibler auf die Wünsche unserer Kunden reagieren als vorher.

Bieten Sie damit nicht den gleichen Baukastenaufzug an wie andere Unternehmen?
Schenk: Mit unserem komplett neu entwickelten Wohnbau-Aufzug „osma 1“ sind wir vom Engineer-to-Order-Verfahren zum Configure-to-Order-Verfahren gewechselt. Das bedeutet, dass man unsere Aufzüge heute einfach, aber flexibel konfigurieren kann. So entstehen durch die Kombination der verfügbaren Optionen rechnerisch Milliarden von Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist also mitnichten der Fall, dass man bei uns heute lediglich einen Standardaufzug mit nur wenigen Varianten erhält. Man bekommt mit dem „osma 1“ vielmehr einen Aufzug, der nicht nur hochvariabel, sondern auch besonders effizient ist. Das gelingt uns, weil alle Komponenten systematisch hinterlegt und aufeinander abgestimmt sind und Fehler auf diese Weise nachhaltig eliminiert werden können.

Am Ende ist die Plattformstruktur aber nur eine starke Basis für unsere neue Unternehmensausrichtung. Der Unterschied zum bisherigen Geschäftsmodell liegt in ihrer fokussierten Nutzung für Lösungen im Wohnungsbau. Wir haben uns auf dieses Branchensegment spezialisiert, da wir in diesem Bereich schon immer stark gewesen sind. Immerhin entfallen 75 Prozent unseres Serviceportfolios auf den Wohnbau. Die Essenz aus dieser Erfahrung haben wir weiterentwickelt und zur DNA unserer neuen Plattformstruktur gemacht.

Ein Wohnaufzug ist für Privatkunden eine hohe Investition. Wie sinnvoll war es dann, dass Sie Niederlassungen in den wohlhabenden Regionen wie Süddeutschland und Leipzig verkauft haben?
Schenk: Städte wie München oder Leipzig sind sicherlich sehr lukrativ. Aber als Mittelständler, der sich zudem einer konsequenten Transformation verschrieben hat, muss man genau überlegen, wie man die verfügbaren Ressourcen optimal einsetzt. Daher haben wir uns entschieden, uns zunächst geografisch zu konsolidieren, um später zu wachsen – auch in den von Ihnen angesprochenen Regionen. Der strategische Vorteil überkompensiert so unsere temporären, regionalen Nachteile.

Und ich gebe Ihnen recht: Unser Wohnbau-Aufzug ist für den Privatkunden eine wertvolle Investition. Teuer wird sie aber erst dann, wenn sie sich für unsere Kunden nicht rechnet. Der osma 1 ist deshalb so konzipiert, dass er durch seinen intelligenten Lebenszykluskosten-Ansatz für unsere Kunden hochprofitabel ist – sei es im sozialen Wohnungsbau oder in exklusiven Wohnprojekten.

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Was ist eigentlich das Besondere an dem Wohnaufzug?
Schenk: Unsere Wohnbau-Aufzüge spezialisieren sich zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse im Wohnungsbau – vom Neubau über den Service bis hin zur Modernisierung. Dabei schaffen wir Lösungen für die drängenden Megatrends des Wohnungsbaus, insbesondere für die Urbanisierung. Angesichts des aktuellen Szenarios, dass immer mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft in die Städte drängen und immer enger aufeinander wohnen, wollen wir die Frage beantworten, was dies für einen möglichst lebenswerten Wohnraum von morgen bedeutet. Nicht ohne Grund lautet deshalb unser Unternehmens-Purpose, unsere Haltung diesem wichtigen Thema gegenüber: „Wir ermöglichen Generationen ein Zuhause.“

Wir sind überzeugt, dass im urbanen Raum immer mehr Menschen aller Generationen, Nationalitäten und gesundheitlicher Ausgangslagen zusammen in einem Wohngebäude leben werden. Um für diese Menschen mit unseren Wohnbau-Aufzügen einen effektiven Beitrag für ein lebens- und liebenswertes Zuhause zu leisten, müssen unsere Lösungen deshalb zum Beispiel besonders leise, platzsparend und sehr wohnlich sein.

Multigenerationen im Fokus zu haben, bedeutet zudem maximale Inklusion. Deshalb sind alle unsere Produkte bereits 100 Prozent barrierefrei. Und nachhaltig: So sind unsere Wohnbau-Aufzüge nicht nur energieeffizient und recyclebar, sondern ermöglichen auch auf der Baustelle durch unsere wiederverwendbaren Transportboxen eine umweltfreundliche Logistik.

Unser Wohnbau-Aufzug ist zudem so smart, dass er sich zugunsten einer maximalen Verfügbarkeit nicht nur selbst überwachen, sondern auch sicher in moderne Gebäudemanagement-Systeme integriert werden kann.

Wir möchten mit unseren Wohnbau-Aufzügen effektive Lösungen für die urbanen Herausforderungen unserer Zeit bieten und damit zum Spezialisten für Aufzüge im Wohnbau werden.

Wie kommt die Idee bisher an? Wie entwickelt sich der Umsatz?
Schenk: Der Wohnbaumarkt ist im Moment bekannterweise schwierig; wir befinden uns wahrscheinlich auf dem tiefsten Punkt, den wir in dieser Branche bisher erlebt haben. Aber: Im September letzten Jahres starteten wir unseren Marken-Relaunch und wir freuen uns seitdem über eine positive Geschäftsentwicklung – trotz der gegenwärtigen Marktlage. Das bestätigt uns in unserem neuen Kurs und wir sind deshalb überzeugt, dass sich das unternehmerische Risiko, das wir mit dieser Spezialisierung auf den Wohnbau eingegangen sind, auszahlen wird – schon allein, weil diese Ausrichtung bereits in unserer DNA verwurzelt ist.

Zu Ihrem neuen Logo gehört ein Storch. Warum?
Schenk: Wir wollten für unser neues Markenbild ein starkes Symbol haben, das wir auch unabhängig von unserer Wortmarke verwenden können. In diesem kreativen Prozess entstand die Idee, uns vom Storch inspirieren zu lassen. Denn der Storch – auch Meister Adebar genannt (altgermanisch für „Glücksbringer“) – thront stolz auf Wohnhäusern, Dächern und Schornsteinen. Er steht für Selbstbewusstsein, Stärke, Gutmütigkeit, Freundlichkeit und Treue. Diese Attribute fanden wir passend für uns, da wir eine freundliche und sympathische Marke sind, die für die Bedürfnisse von Menschen im Wohnbau und gute Lebensräume steht. 

Das Interview führte Ulrike Lotze.


Weitere Informationen: osma.de

Das Unternehmen wurde am 20. Mai 1919 gegründet und ist seit 1933 im Besitz der Familie Schenk. Es ist das zweitgrößte mittelständische Aufzugsunternehmen Deutschlands. Seit 2010 ist neben Albert Schenk der Diplom-Volkswirt Jens-Albert Schenk (45) in vierter Generation Geschäftsführer von osma. Das Unternehmen beschäftigt heute mehr als 500 Mitarbeiter und hat zwölf Niederlassungen. Der Umsatz lag 2023 bei 92 Millionen Euro.

Für Aufsehen hatte der Verkauf von vier Niederlassungen zum 1. Januar 2023 an Kone gesorgt. Es handelte sich um die Standorte Stuttgart, München, Regensburg und Leipzig mit insgesamt 34 Mitarbeitern.

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