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"Wer liefern kann, macht das Geschäft, egal zu welchem Preis"

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Kaum ist die Corona-Krise möglicherweise überstanden, stehen die Firmen vor der nächsten Herausforderung: Auch die Aufzugsbranche kämpft mit Materialmangel und Preisen für Rohstoffe und Bauteile, die zum Teil durch die Decke gehen.

"Teurer, später, knapper" – so brachte es Ende Juni ein Artikel in der deutschen Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" auf den Punkt. Es fehle an allen Stellen der Lieferkette, heißt es in dem Beitrag: "Reichlich zu tun, aber kein Material: Das Arbeitsleben in der neuen Mangelwirtschaft erinnert bisweilen an die absurden Zustände in der späten DDR."

Viele Branchen sind betroffen – auch die Aufzugsbranche – und zwar europaweit, so die Einschätzung von Björn Kollmorgen, stellvertretender Vorstand des VDMA-Fachverbands Aufzüge und Fahrtreppen: "Wir bekommen von überall die Nachricht, dass die Hersteller mit den gleichen Problemen kämpfen."

Lager vorausschauend gefüllt

Für viele Unternehmen ist der Mangel im Moment noch zu bewältigen, sie haben sich vorausschauend zu Beginn der Corona-Krise ihre Lager gefüllt, das gilt auch für das Kölner Unternehmen Kollmorgen Steuerungstechnik: "Wir sind zwar als Mittelständler anders aufgestellt als große Unternehmen und führen traditionell Lagerbestände, mit denen wir Durststrecken länger überstehen können. Aber man kann sich auch keinen unendlichen Vorrat anlegen."

Der Mangel und die Preiserhöhungen beschränken sich nicht auf die bekannten Rohstoffe wie Stahl oder Holz. Darüber hinaus seien Elektronikbauteile, insbesondere Halbleiter und Prozessorbaugruppen betroffen, aber auch Zulieferprodukte aus PVC und anderen Kunststoffen wie Leitungen und Klemmen, so Kollmorgen. "Neben dem eigentlichen Mangel ist für alle Bereiche eine erhebliche Kostensteigerung zu verzeichnen. Auf eine Entspannung der gegenwärtigen Lage hoffen wir im Frühjahr 2022."

Edelstahlpreise verdoppelt

Mit ähnlichen Preissteigerungen haben auch andere Komponentenhersteller zu kämpfen. "Für Bleche haben wir früher 600 bis 700 Euro bezahlt, jetzt sind es 2.400 Euro", sagt Wolfgang Nothaft, Geschäftsführer von Meiller Aufzugstüren. Die Edelstahlpreise hätten sich verdoppelt, verzinkter Stahl habe vor einem Jahr 600 Euro pro Tonne gekostet, inzwischen seien es 1.400 Euro. Zwar profitiere Meiller von den langfristigen Verträgen mit seinen Lieferanten, trotzdem müsse man die Preissteigerungen an die Kunden weitergeben.

Dazu komme das Problem, überhaupt Material zu bekommen: "Sie können sich eindecken, aber es gibt Produkte, da leben sie von der Hand in den Mund. Wer liefern kann, macht das Geschäft, egal, zu welchem Preis." Nothaft macht sich auch Gedanken um die gesamte Aufzugsbranche, vor allem um die Aufzugsbauer: "Bis Ostern 2022 gibt es keine Bleche mehr zu kaufen, das wissen manche von ihnen nicht. Die Blechbranche zockt im Moment jeden ab."

Preisgleitklauseln hätten die wenigsten Firmen, so die Beobachtung von Nothaft: "Das hat man ja nie gebraucht, in einem halben Jahr dürfte das für viele zum Verhängnis werden. Denn der Aufzug kostet die Hersteller jetzt viel mehr als vor 18 Monaten als er den Vertrag gemacht hat."

"Es ist wirklich nicht lustig"

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Die Probleme kennt Ralph Hübschmann gut. "Es gibt keinen Zulieferer, der nicht die Preise erhöht hat", berichtet der Geschäftsführer des Aufzugsherstellers "Hübschmann Aufzüge". Die Preissteigerungen reichten von drei bis 200 Prozent. Zwar habe man glücklicherweise Ende 2020 größere Mengen eingekauft: "Wir stehen Gott sei Dank noch gut da, weil wir gut gewirtschaftet haben. Aber es ist wirklich nicht lustig. Sie haben mehr Arbeit und die Margen werden geringer."

Er gibt inzwischen kein Angebot mehr ohne Preisgleitklausel raus: "Das war bei Aufzugbauern früher die Ausnahme, aber nimmt natürlich jetzt zu." Er kann seinen Kunden keinen Nachlass mehr geben, so Hübschmann: "Da schluckt natürlich jeder. Ab viele wissen, wie die Situation im Moment ist."

Transparenz gegenüber Kunden

Mit Engpässen bei vielen Materialien und Komponenten muss sich auch der Aufzugbauer Raloe auseinandersetzen, berichtet Jorge Linares, Exportmanager des Unternehmens, das seine Zentrale im spanischen Valencia hat.

Durch die Zusammenarbeit mit den vielen "erstklassigen Lieferanten, die über Kapazitäten und eine mittelfristige Lieferplanung verfügen, konnten wir unseren Kunden aber weiterhin ein ganz normalen und regelmäßigen Service bieten". Aber natürlich kämpfe auch Raloe damit, dass die Kosten für Rohstoffe und Seecontainer "systematisch in nie gekanntem Ausmaß steigen", erklärt Linares.

Raloe setzt dabei gegenüber seinen Kunden auf Transparenz, um die notwendigen Preiserhöhungen zu vermitteln: "Es ist für Raloe wichtig, sehr transparent und klar mit unseren Kunden über die Margen zu sprechen, mit denen der Sektor arbeitet. Sie erlauben es nicht, die Erhöhungen an irgendeinem Punkt der Lieferkette aufzufangen. Sie müssen am Ende der Wertschöpfungskette, in diesem Fall beim Endkunden, ankommen."

Verbandsumfragen bestätigen den Trend

Die Einschätzung dieser Aufzugsunternehmen bestätigen auch die Umfragen der deutschen Branchenverbände. Etwa die Erhebung, die der VFA-Interlift gemeinsam mit dem Messeveranstalter AFAG und dem Magazin Elevator World weltweit macht.

Material- und Ausrüstungsengpässe wurden zum wichtigsten einschränkenden Faktor und überholten bei der aktuellen Umfrage zum ersten Mal die "wirtschaftliche Unsicherheit": Im Juli/August 2021 gaben mehr als 50 Prozent der Befragten dies nun als limitierenden Faktor an, gegenüber 30 Prozent im April und 17 Prozent im Januar.

Und der Aufzugindex des VDMA-Fachverbands Aufzüge und Fahrtreppen im Juni ergab: Materialknappheit und die daraus resultierenden Lieferengpässe machen sich vor allem bei den Erwartungen bemerkbar – und diese zeigten in den vorigen drei Monaten eine deutliche Tendenz nach unten und waren verantwortlich für das Sinken des Geschäftsklimas.

Erholung der Industrie gefährdet?

Dabei ist es kein Trost, dass nicht nur die Aufzugsbranche betroffen ist. Knappheit bei Vorprodukten ist zu einem ernsthaften Problem für die gesamte deutsche Industrie geworden, so eine Umfrage des ifo-Instituts: Fast zwei Drittel der Industriefirmen in Deutschland klagen über Engpässe und Problemen bei Vorlieferungen als Hindernis für ihre Produktion.

Das geht aus der vierteljährlichen Umfrage des ifo Instituts hervor. Von April bis Juli stieg der Anteil von 45 auf 63,8 Prozent. "Bereits im Vorquartal meldeten die Unternehmen einen Rekordwert, dieser wurde nochmals deutlich übertroffen. Das könnte zu einer Gefahr für den Aufschwung werden", sagt der Leiter der ifo Umfragen, Klaus Wohlrabe. Zuvor lag der Spitzenwert einmal bei 20,2 Prozent im dritten Quartal 2018.

Materialmangel auf dem Bau

Besonders auf den deutschen Baustellen hat sich das Materialproblem verschärft – was dann wiederum auch die Aufzugbauer betreffen kann. Denn die Unternehmen der Branche leiden nicht auf der Lieferantenseite unter fehlender Verfügbarkeit und zunehmenden Lieferfristen bei vielen unterschiedlichen Produkten, was zu längeren Lieferfristen führt, so Martin Schmitt, einer der Geschäftsführer der Aufzugswerke Schmitt + Sohn.

"Gleichzeitig erfahren aber auch viele unserer Kunden auf ihren Baustellen die gleichen Engpässe. Dies führt zu verspäteten Fertigstellungen und damit zu immer schlechter Planbarkeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer", erklärt Schmitt, der seit einigen Monaten neuer Vorsitzender des Fachverbands Aufzüge und Fahrtreppen im VDMA ist: "Die Engpässe wirken sich also in unserer Branche an beiden Enden der Lieferketten aus."

Von Ulrike Lotze


Aktuelle Engpässe: "Die rasant steigenden Rohstoffpreise machen der Branche zu schaffen. Die Preise für Schnittholz sind in den letzten Monaten nahezu explodiert, die Sägewerke kommen nicht hinterher. Auch Stahl hat sich erheblich verteuert. Dämm-Materialien und verschiedene Kunststoffe sind zudem knapp, ist aus der Branche zu hören."
Felix Leiss, Umfrageexperte beim ifo Institut


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