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Eine eigene Cloud für den Mittelstand

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In einem Interview mit dem LIFTjournal kündigt Rudolf Ramseier vom VFA-Vorstand eine eigene Cloud für den Mittelstand an. Lesen Sie hier das Interview über die Digitalisierung im Mittelstand in voller Länge.

Werden die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) der Aufzugbranche bei der Digitalisierung abgehängt? Warum sollten sie sich überhaupt dabei engagieren, wenn das Geschäft doch überwiegend gut läuft? Darüber sprach das LIFTjournal mit Rudolf Ramseier, Geschäftsführer der Cobianchi Liftteile AG. Er gehört seit 2013 zum VFA-Vorstand und ist dort seit 2019 zuständig für das Ressort "Digitalisierung und neue Technologien".

Wie weit sind die KMU der Aufzugbranche bei der Umsetzung der Digitalisierung und Aufzug 4.0?
Ramseier: Das ist sehr unterschiedlich. Einige sind schon recht weit, haben sich engagiert, andere sind nur sehr gering oder gar nicht an dem Thema interessiert. Wir müssen die KMU weiter für dieses Thema sensibilisieren.

Das Geschäft läuft doch selbst in diesen Zeiten gut. Warum soll ich als Aufzugbauer/Komponentenhersteller/Betreiber Zeit und Geld investieren?
Ramseier: Kurz, um das Unternehmen für die Zukunft wettbewerbsfähig zu halten. Selbstverständlich überlasse ich die unternehmerische Strategie den jeweiligen Entscheidern, jedoch sind die multinationalen Unternehmen weit fortgeschritten und können bereits heute ein umfassendes Gebäudemanagement anbieten. Dabei geht es schon deutlich über den reinen Aufzugschacht hinaus, Kostenvorteile für den Betreiber wie auch merkliche Annehmlichkeiten für den Benutzer von integrierten/vernetzten Aufzügen sind zunehmend beliebt. Traditionelle, möglicherweise etwas zu wenig innovative KMUs, werden zukünftig nur noch eingeschränkt in der Lage sein, einen ähnlichen Service anzubieten.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Mittelstand den Anschluss verliert oder schon verloren hat?
Ramseier: Diese Gefahr besteht durchaus. Aufgrund der aktuell guten Auftragslage fragen sich Einige, warum eine Erweiterung von Bewährtem notwendig sein soll und welchen Nutzen die viel erwähnte Digitalisierung bringen soll. Hier ist es Aufgabe des VFA, seine Mitglieder weiter auf möglichst vielen Wegen zu informieren, damit sich die Unternehmen für die Zukunft aufstellen können.

Rudolf Ramseier: Wir planen derzeit eine eigene VFA-Cloud. Foto: © PrivatRudolf Ramseier: Wir planen derzeit eine eigene VFA-Cloud. Foto: © PrivatWie will der VFA den Mittelstand unterstützen, damit er nicht von den Konzernen abgehängt wird?
Ramseier: Eins vorneweg: der Mittelstand wird nicht so einfach abgehängt. Seine Stärken sind und bleiben Flexibilität, Schnelligkeit, er kann sich neuen Begebenheiten rasch anpassen. Das Bestreben des VFA ist die Information seiner Mitglieder, die Sensibilisierung auf neue Entwicklungen im Bereich Trends und Technologien, aber auch im Bereich Normen/Richtlinien/Vorschriften durch den Arbeitskreis Normen, Hinweise auf Ausrichtungen der Märkte und generelle Informationen durch die regelmäßig versandte Infoline sowie die Schulung von interessierten oder neuen Mitarbeitern mit Angeboten der VFA-Akademie. Neu hinzu kommt seit 2019 der Workshop Digitalisierung. In diesem Workshop versuchen wir, die unterschiedlichsten Erwartungen der VFA Mitgliedschaft unter einen Hut zu bringen. Konkret: Wir wollen eine Vernetzung von Komponenten, Aufzugbauern, Wartungsfirmen und Planern vereinfachen und dazu ein Tool anbieten, welches allen Marktteilnehmern, insbesondere auch den Betreibern nachhaltige Vorteile bringen wird.

Die Vorteile der Konzerne sind klar, sie können mit der vorausschauenden Wartung z. B. die Lohnkosten senken. Das wird für die KMU schwierig. Welchen Benefit können sie daraus ziehen?
Ramseier: Das sieht der VFA ganz anders. Wir planen derzeit eine eigene Cloud, diese VFA-Cloud wird derzeit durch die Teilnehmer vom Workshop Digitalisierung aktiv vorangetrieben und die entsprechende Taskforce arbeitet ergebnisoffen zusammen. Wird die Idee einer VFA-Cloud von der VFA-Mitgliedschaft aufgenommen und rege genutzt wird, sehe ich keinen Grund, warum nicht mittelfristig ein ähnlicher Benefit entstehen sollte.

Der Marktanteil der VFA-Mitglieder liegt in Deutschland unter 20 Prozent. Hat ein System/Produkt überhaupt die Chance, sich durchzusetzen?
Ramseier: Als Kone 1995 den maschinenraumlosen Aufzug in Deutschland einführte, lag deren Marktanteil deutlich unter zehn Prozent. Ein gutes Produkt, welches von vielen unterstützt wird, hat immer eine Chance.

Wie kommen Sie denn voran?
Ramseier: Corona hat unser Projekt nicht verzögert, die Fortschritte ohne COVID19 wären kaum schneller möglich gewesen. Aufgrund der stark durchmischten Mitgliedschaft im VFA sind sehr viele verschiedene Meinungen und Wünsche zu berücksichtigen. Hier sehe ich meine Aufgabe darin, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu erkennen und Mitanbieter gleicher oder ähnlicher Segmente zum Dialog zu führen. Dies ist eine Herausforderung. Ziel ist es, den Stand unserer Arbeit und die bis dahin erreichten Ergebnisse an der VFA-Mitgliederversammlung 2021 und anschließend bei der interlift der Öffentlichkeit vorzustellen.

Was halten Sie von einer Art Meta-Maschine für die KMU, die die Systeme der Komponentenhersteller zusammenführt?
Ramseier: Das kann nur die Basis darstellen, denn allein greift das viel zu kurz. Wir haben ein umfassenderes Ziel im Focus.

Kann denn eine deutsche Lösung ohne die ausländischen Komponentenhersteller und Unternehmen überhaupt funktionieren? Ist ein Angebot auf europäischer Ebene nicht sinnvoller?
Ramseier: Der VFA ist ein deutscher Verband und die Mitglieder sind vornehmlich in Deutschland ansässig. Wenn der VFA also Kosten verursacht, sollten die Ergebnisse vorrangig den Mitgliedern zugutekommen, selbstverständlich werden europäische Hersteller nicht ausgeschlossen. Der VFA ist auch in den entsprechenden europäischen Gremien vertreten, weshalb die Informationen in beide Richtungen ausgetauscht werden. Bei ähnlicher Interessenlage ist eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen.

Und wie soll sich das System finanzieren?
Ramseier: Einerseits müssen nun die Erstellungskosten budgetiert und anerkannt werden, andererseits die anfallenden Betriebskosten bzw. die Amortisation bestmöglich kalkuliert werden. Die Anschubfinanzierung dürfte anteilig vom VFA mitgetragen werden, die Betriebskosten müssen von den Benutzern mindestens gedeckt werden.

Wer wird Zugang zu den Daten in dem System bekommen: die Fachplaner, die ZÜSen, Mitgliedsfirmen aus dem Ausland, chinesische Unternehmen?
Ramseier: Sicher alle interessierten VFA-Mitglieder. Welche anderen Markteilnehmer außerhalb vom Verband bzw. außerhalb Deutschlands auch Zugang haben, kann über eine abgestufte Tarifstruktur geregelt werden. Da sind verschiedene Modelle denkbar und praktikabel.

Plant der VFA dabei eine Zusammenarbeit mit dem VmA und der GAT?
Ramseier: Die besteht bereits.

Warum ist eigentlich der Geschäftsführer eines Unternehmens, das u. a. mechanische Fangvorrichtungen herstellt, im VFA zuständig für die Digitalisierung?
Ramseier: Diese Frage wurde mir schon oft gestellt. Die Antwort ist recht einfach: Cobianchi Liftteile AG stellt Bremsfangvorrichtungen her. Somit keinerlei Produkte, welche in irgendeiner Form von der Entstehung oder dem Betrieb der VFA-Cloud, welche aktuell im Workshop Digitalisierung erarbeitet wird, einen Nutzen ziehen könnte. Daneben macht es mir immer sehr Spaß in einem professionellen Umfeld konstruktiv und zielorientiert in einem Team mit tollen Menschen zu arbeiten. Außerdem: Auch Fangvorrichtungen müssen digitaler werden.

Die Fragen stellte Ulrike Lotze.

Weitere Informationen: www.vfa-interlift.de

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