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Energieeffizienz versus Nachhaltigkeit?

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Energieeffizienz ist derzeit ein Riesenthema – auch in der Aufzugsbranche. Leider kommt dabei die Nachhaltigkeit noch zu kurz, sie sollte aber genauso wichtig genommen werden wie die Energieeffizienz. Denn sie geht das Thema viel umfassender an.

Von Jan König und Ulrich Nees

Was ist eigentlich Energieeffizienz? Das Umweltbundesamt (UBA) definiert sie als das Verhältnis eines bestimmten Nutzens zu dessen Energieeinsatz: "Je weniger Energie eingesetzt werden muss, umso energieeffizienter ist ein Produkt oder eine Dienstleistung." Dieser Zusammenhang liegt auf der Hand.

Werfen wir einen Blick auf die Normung. Wie wird dort die Energieeffizienz ermittelt? Mit der VDI 4707 Blatt 1: 2009 "Aufzüge Energieeffizienz" oder aktuell mit der DIN EN ISO 25745-1: 2015 "Energieeffizienz von Aufzügen, Fahrtreppen und Fahrsteigen – Teil 2: Energieberechnung und Klassifizierung von Aufzügen".

Allerdings haben beide Regelwerke ihre Schwächen. Denn dabei müssen Annahmen etwa zur Aufzugsnutzung getroffen werden. Diese Annahmen haben großes Fehlerpotenzial. Für die Vergleiche werden zum Beispiel die Gebäude vereinheitlicht – das spiegelt aber häufig nicht die tatsächliche Nutzung wider.

Belastbare Bewertung der Energieeffizienz

Deshalb ist es sinnvoll, einer energetischen Klassifizierung ohne Berücksichtigung von objektiven Fahrtenzahlen mit gesunder Skepsis zu begegnen. Denn eine belastbare Bewertung der Energieeffizienz ist nur auf der Basis von Energiemessungen unter Berücksichtigung von tatsächlichen Fahrtenzahlen (über einen längeren Zeitraum) möglich. Eine Rolle spielt natürlich zum Beispiel auch die Belastung des Fahrkorbes, die Zahl der Betriebsstunden und die Häufigkeit von Motorstarts.

Auch hier stellt das Regelwerk übrigens das notwendige Rüstzeug zur Verfügung – in Form der DIN EN ISO 25745-1:2015 "Energieeffizienz von Aufzügen, Fahrtreppen und Fahrsteigen – Teil 1: Energiemessung und Überprüfung". Nur am Rande: Die Überarbeitung der Norm ist derzeit im Gange, dazu lesen Sie hier mehr.

Bewertung von Nachhaltigkeit

Und wie definiert man Nachhaltigkeit? "Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden", schreibt etwa das Bundeswirtschaftsministerium. Dabei sei es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten.

Auch hier stellt sich die Frage nach einer möglichen Bewertung der Nachhaltigkeit. Erfreulicherweise ist das mit einer Ökobilanz möglich. Den Rahmen für die Ökobilanz gibt die Ende 2020 erschienene Produktkategorie-Regel (PCR) für Aufzüge vor: c-PCR-008 Lifts (elevators). Leider gibt es auch in diesem Regelwerk das Manko, dass diverse – leider auch maßgebliche – Annahmen getroffen werden müssen.

Und diese Annahmen haben dann gravierenden Einfluss auf das Ergebnis der Ökobilanz. Deshalb bleibt die Frage, inwieweit die derzeit am Markt befindlichen Ökobilanzen vergleichbar und daraus resultierend belastbar sind. Also gibt es keine belastbare Betrachtung der Nachhaltigkeit von Produkten? Genau das Gegenteil ist der Fall! Allerdings muss man sich auf die klassischen Methoden besinnen, da das vorgestellte Regelwerk nur eingeschränkt hilfreich ist.

Und in der Praxis?

Wie kann das konkret aussehen? Die DIN EN 60034-30-1 // Pos. 5.3.4 fordert zum Beispiel, dass auf jedem Leistungsschild von einem Antrieb dieser Hinweis vorhanden sein muss: "Der Bemessungswirkungsgrad und der IE-Code müssen dauerhaft auf dem Leistungsschild angegeben werden z. B. "IE2-84%". Leider fehlen bei den meisten Antrieben die vollständigen Hinweise.

Fragt man die Hersteller nach den Gründen, bekommt man in der Regel zwei Antworten:
1. Unsere Kunden interessieren sich nicht für Angaben zu Wirkungsgradklassen
2. Zu viele Informationen führen zur Verwirrung.

Aber warum sind diese technischen Daten so wichtig? Ohne diese Informationen kann der Betreiber die Nachhaltigkeit nicht objektiv einschätzen. Ein wichtiges Kriterium ist der Wirkungsgrad – also das Verhältnis von Energie-Input und Energie-Output. Das ist Energieeffizienz in Reinkultur – aber noch keine Nachhaltigkeit.

"Wer billig kauft, kauft zweimal"

Zur Nachhaltigkeit gehört sehr viel mehr – zum Beispiel die Produktionsbedingungen, Nutzungsphase, Entsorgung sowie die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse, wie beispielsweise die Entnahme und Herstellung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe einschließlich der damit einhergehenden Emissionen.

Zur Nachhaltigkeit gehört aber auch der Abnutzungsvorrat (siehe DIN 31051) von Aufzügen und den verbauten Komponenten, der deren Lebensdauer bestimmt. Können deshalb "low cost" Aufzugprodukte mit einem geringen Energiebedarf nachhaltig sein? Das ist fraglich. "Wer billig kauft, kauft zweimal" heißt es in einer alten deutschen Redewendung.

Wenn Aufzüge und Komponenten eine hohe Qualität und damit einen hohen Abnutzungsvorrat aufweisen, sind sie nachhaltiger und deshalb auf lange Sicht gesehen auch preiswerter.

Nachhaltigkeit wird wichtiger

Glücklicherweise spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Bauherren und Betreibern in der letzten Zeit eine immer größere Rolle – das berichtet auch die Großindustrie in ihren offiziellen Verlautbarungen. Aber für die Nachhaltigkeit hat die Beachtung oder Nichtbeachtung von Qualität einen massiven Einfluss.

Nehmen wir das Beispiel Antriebe: Ein schlechter Antrieb hat
• einen geringen Wirkungsgrad und damit eine schlechtere Energieeffizienz
• weniger Polpaare und damit ein schlechteres Fahrverhalten, was sich auf den gesamten Aufzug auswirkt.
• Letzteres hat übrigens auch erhebliche negative Konsequenzen auf den Schallschutz.

Carbon-Beton – die Zukunft?

Bei Gebäuden wird eine immer längere Lebensdauer und damit Nachhaltigkeit angestrebt. Ein Beispiel: Während herkömmliche Stahlbetonbauten eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren aufweisen, könnte mit Carbon-Beton nach Angaben der Ingenieure eine Lebensdauer von bis 200 Jahre keine Illusion mehr sein.

Eine lange Lebensdauer als Bestandteil der Nachhaltigkeit während des gesamten Lebenszyklus "from the craddle to grave" sollte natürlich auch bei den Aufzugsanlagen angestrebt werden.

Das heißt konkret: Aufzüge und deren Komponenten sollten
• eine lange Lebensdauer haben
• Instandsetzungsfreundlich sein, dazu gehört, dass Komponenten repariert und ausgetauscht werden können
• zu modernisieren sein (auch in Teilbereichen).

Das sind lobenswerte Ansätze. Doch wie kann man sie in die Praxis umsetzen und welche Kriterien müssen dabei beachtet werden? Diese Fragen werden in der diesjährigen Themenreihe im LIFTjournal beleuchten. 

Jan König ist Inhaber des Ingenieurbüros (VDI) Ing4Lifts.
Ulrich Nees ist Inhaber von "Aufzug-Systeme + Beratung Ulrich Nees".


Weitere Informationen: ing4lifts.de
aufzugsystemeberatung.de

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